Durch die Corona-Pandemie kam es bereits im März 2020 landesweit zu behördlich angeordneten Betriebsschließungen. Viele der betroffenen Geschäftsräume waren zudem angemietete Objekte.
Ein Mietvertrag verpflichtet den Vermieter dazu, dem Mieter den zeitweisen Gebrauch einer Sache zu gewährleisten, während der Mieter im Gegenzug zur Zahlung der vereinbarten Miete verpflichtet ist.
Allerdings ist fraglich, inwiefern die Miete eines Geschäftsraumes entrichtet werden muss, dessen zweckgemäße Benutzung wegen behördlich angeordneter Betriebsschließung während der COVID-19-Pandemie nicht oder vorübergehend nicht gewährleistet werden kann.
Urteil des BGH
In seinem Urteil vom 12.01.2022 setzte sich der BGH mit dieser Frage auseinander (BGH v. 12.1.2022 – XII ZR 8/2).
Im konkreten Fall hatte die Beklagte im Jahr 2013 von der Klägerin Räumlichkeiten zum Betrieb eines Textileinzelhandelsgeschäfts angemietet.
Am 18. und 20.03.2020 erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, aufgrund der Covid-19-Pandemie, Allgemeinverfügungen, die dazu führten, dass die Beklagte ihr Geschäft im betroffenen Mietobjekt vom 19.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 schließen musste.
Die Beklagte sah sich aufgrund der besonderen Umstände für den Monat April 2020 nicht zur Zahlung der Miete in Höhe von 7.854 € verpflichtet.
Das Landgericht Chemnitz hatte die Beklagte zunächst zur Zahlung der Miete verurteilt.
Auf die Berufung der Beklagten wurde das erstinstanzliche Urteil vom OLG Dresden aufgehoben und die Beklagte lediglich zur Zahlung von 3.720,09 € verurteilt. Die Klägerin wollte dieses Urteil nicht akzeptieren und legte Revision vor dem Bundesgerichtshof ein.
Ob einem Mieter von gewerblich genutzten Räumen das Festhalten am Vertrag während der Zeit einer behördlich angeordneten Betriebsschließung zuzumuten ist, hängt dabei stets vom Einzelfall ab. Es ist eine umfassende Abwägung aller konkreten Umstände vorzunehmen, die im Ergebnis dazu führen kann, dass der Vertrag gemäß § 313 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage angepasst werden muss.
Im vorliegenden Fall schließt der BGH den Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB nicht aus.
Zur Begründung
Der 12. Zivilsenat bestätigt die Entscheidung des OLG Dresden im Wesentlichen.
Die Erwartungen der vertragsschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-) Katastrophe ändern und die soziale Existenz nicht erschüttert wird, wurde durch die Allgemeinverfügung schwerwiegend gestört.
Darüber hinaus kann dem Beklagten das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung nicht zugemutet werden. Es liege nicht im Verwendungsrisiko des Mieters, unternehmerische Entscheidungen mit Rücksicht auf mögliche hoheitliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu treffen.
Vielmehr handele es sich vorliegend um Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich sei.
Eine pauschale Vertragsanpassung nach hälftiger Teilung der Kaltmiete, wie das OLG es vorgesehen hatte, lehnt der BGH im Übrigen ab.
Es müsse eher umfassend abgewogen werden, welche konkreten Nachteile dem Mieter durch die Betriebsschließung entstanden sind.
Dabei sind Faktoren, wie der Umsatzrückgang im betroffenen Zeitraum oder Maßnahmen, welche der Mieter treffen musste, um drohende Verluste zu verringern, hervorzuheben.
Insbesondere finanzielle Vorteile, die der Mieter durch staatliche Leistung erhalten haben könnte, sind bei der Abwägung miteinzubeziehen.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG Dresden zurückverwiesen.
Rechtsanwalt
PATRICK FINKE
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